Agil um jeden Preis: Wenn der Scrum Master zweimal klingelt



Kennen Sie das auch? Sie sitzen gemütlich in Ihrem Büro, arbeiten konzentriert an einer komplexen Aufgabe, und plötzlich stürmt ein übermotivierter Kollege herein, schwenkt ein Kanban-Board und verkündet strahlend: "Ab morgen arbeiten wir agil!" 

## Die neue Religion der Businesswelt

Agilität ist zur Religion der modernen Arbeitswelt geworden. Ihre Jünger predigen von Daily Standups, Sprint Reviews und der heiligen Retrospektive. Wer nicht mitmacht, ist ein Ketzer, gefangen in den Fesseln des Wasserfallmodells. Aber mal ehrlich: Braucht wirklich jeder Prozess diese agile Erleuchtung?

## Wenn Agil auf die Realität trifft

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Atomkraftwerk. "Hey, lass uns den Reaktor mal agil steuern! Wir experimentieren einfach ein bisschen und schauen in der Retrospektive, was nicht so gut geklappt hat!" - Nein, danke. Manchmal ist ein wasserdichter Plan eben doch besser als flexible Anpassung.

Oder nehmen wir die Buchhaltung: "Die Bilanz? Die entwickeln wir iterativ! Erst mal eine Beta-Version für das Finanzamt, Feedback gibt's dann im nächsten Sprint." Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir.

## Die agilen Missverständnisse

Der wahre Kern des agilen Manifests wird dabei oft vergessen. Es geht nicht darum, wild durcheinander zu sprinten und Post-its wie Konfetti durch den Raum zu werfen. Agile Methoden sind ein Werkzeug – und wie jedes Werkzeug haben sie ihren spezifischen Einsatzbereich.

### Branchen, die sich bedanken:
- Chirurgie ("Ups, das war das falsche Bein - aber hey, learning by doing!")
- Flugzeugwartung ("Die Schrauben probieren wir im nächsten Sprint")
- Lebensmittelproduktion ("Das MHD ist mehr so eine grobe Orientierung")

## Das Daily Standup als moderne Folter

45 Minuten stehen Menschen im Kreis und erzählen, was sie gestern gemacht haben. Dabei wollten sie eigentlich nur in Ruhe ihre Arbeit erledigen. Der einzige, der begeistert ist, ist der Scrum Master – vermutlich weil er endlich mal einen Grund hat, morgens aufzustehen.

## Fazit: Agil ist nicht alles

Verstehen Sie mich nicht falsch: Agile Methoden sind großartig – dort, wo sie hingehören. Bei der Produktentwicklung, in der Softwarebranche, überall dort, wo Flexibilität und schnelles Feedback wichtig sind. Aber bitte verschonen Sie uns von agilen Zahnarztterminen oder Sprint-Planning-Sessions für die Müllabfuhr.

Am Ende des Tages ist es wie mit Gewürzen: Die richtige Menge macht das Essen erst schmackhaft. Zu viel davon, und Sie können es vergessen. In diesem Sinne: Bleiben Sie agil – aber nur da, wo es Sinn macht.

P.S.: Dieser Artikel wurde in sieben Sprints entwickelt, hatte 23 Stakeholder-Meetings und wurde von einem Product Owner abgenommen. Die Roadmap für Teil 2 befindet sich bereits in der Backlog-Refinement-Phase.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine Reminiszenz an James May, Richard Hammond und Jeremy Clarkson

Die Kermadec Inseln: Neuseelands wilder Außenposten

Die BR 156 - Eine Lokomotive zur falschen Zeit