Unter unseren Füßen rumort es: Neue Erkenntnisse zum Vulkanismus im Egergraben

 

Wer an Vulkane in Europa denkt, dem fallen meist der Ätna, der Vesuv oder vielleicht noch die isländischen Feuerberge ein. Doch auch mitten in Mitteleuropa, im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien, brodelt es unter der Erdoberfläche. Der Egergraben ist eine der geologisch aktivsten Regionen Europas – und die neuesten Forschungsergebnisse zeigen: Hier tut sich mehr als gedacht.

Ein schlafender Riese?

Der Egergraben, auch Cheb-Becken genannt, ist Teil des Europäischen Känozoischen Riftsystems. Seit Jahrzehnten registrieren Seismologen hier regelmäßig sogenannte Schwarmbeben – Hunderte bis Tausende kleinerer Erdbeben, die innerhalb weniger Tage oder Wochen auftreten. Lange Zeit waren diese Phänomene rätselhaft. Heute wissen wir: Sie sind eng mit aufsteigenden Gasen und Flüssigkeiten aus der Tiefe verbunden.

Was sich 2025 verändert hat

Die jüngsten Entwicklungen geben Anlass zu erhöhter Aufmerksamkeit. Im Januar 2025 begann ein neuer Erdbebenschwarm, der sich deutlich von früheren Ereignissen unterschied: Die Hypozentren – also die Entstehungsorte der Beben – lagen mit nur etwa 11 Kilometern Tiefe deutlich flacher als bei vorherigen Schwarmbeben. Am 6. Dezember 2025 ereignete sich sogar ein spürbares Beben der Magnitude 2,6 in nur 5 Kilometern Tiefe.

Was bedeutet das? Flachere Beben könnten darauf hindeuten, dass sich die Dynamik der aufsteigenden Fluide verändert hat – möglicherweise dringen magmatische Gase und Flüssigkeiten weiter nach oben vor als in der Vergangenheit.

Helium verrät magmatische Aktivität

Besonders aufschlussreich sind Messungen an Mofetten und Mineralquellen in der Region. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben Wissenschaftler beobachtet, wie sich das Verhältnis zweier Heliumisotope verändert hat. Die gemessenen Werte gehören zu den höchsten in Europa nördlich der Alpen – vergleichbar mit aktiven Vulkangebieten wie Island oder Italien.

Für die Forscher ist dies ein deutliches Indiz: Unter dem Egergraben steigt magmatische Aktivität an. Ein Magmenkörper an der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkruste scheint Fluide nach oben zu senden, die sich ihren Weg durch schmale, senkrechte Kanäle in der Erdkruste bahnen.

ELISE: Ein Experiment der Superlative

Um die komplexen Vorgänge im Untergrund besser zu verstehen, haben internationale Forscherteams im Sommer 2025 das Großexperiment ELISE gestartet. Rund 300 mobile seismische Stationen wurden auf einer Fläche von etwa 100 mal 100 Kilometern installiert – ein gewaltiges Netzwerk, das über 12 bis 18 Monate selbst kleinste Erdbeben registriert.

Ziel ist es, die geologische Struktur der Region hochauflösend zu kartieren und die Wege der aufsteigenden Fluide nachzuverfolgen. Die Daten werden voraussichtlich 2027 ausgewertet und könnten unser Verständnis von intrakontinentalen vulkanischen Systemen revolutionieren.

Keine Panik – aber Wachsamkeit

Trotz aller Aktivität: Eine unmittelbare Gefahr eines Vulkanausbruchs besteht nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht. Der Egergraben zeigt typische Merkmale eines ruhenden, nicht eines erwachenden Vulkansystems. Die Schwarmbeben und Gasaustritte sind Teil eines langfristigen geologischen Prozesses, der sich über Jahrtausende erstreckt.

Dennoch ist die Region ein faszinierendes natürliches Labor für Geowissenschaftler. Die Veränderungen, die wir momentan beobachten – flachere Beben, erhöhte Heliumwerte, intensivere Gasfreisetzung – zeigen, dass die Erde unter unseren Füßen lebendig ist.

Fazit: Die Erde gibt ihre Geheimnisse nur langsam preis

Der Egergraben erinnert uns daran, dass geologische Prozesse nicht an Ländergrenzen haltmachen und dass selbst in scheinbar ruhigen Regionen Mitteleuropas gewaltige Kräfte am Werk sind. Mit modernster Technik wie dem ELISE-Experiment kommen wir diesen Kräften auf die Spur – und lernen, die Sprache der Erde besser zu verstehen.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die aktuellen Veränderungen Teil eines größeren Zyklus sind oder ob sich unter dem Egergraben tatsächlich etwas Bedeutendes anbahnt. Eines ist sicher: Die Wissenschaft schläft nicht – und die Seismometer wachen.

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