Play Big Figuren - Die vergessenen Helden der 70er Jahre



Wer an Spielzeugfiguren der 1970er Jahre denkt, dem fallen sofort die ikonischen Playmobil-Figuren ein, die 1974 das Licht der Welt erblickten und bis heute die Kinderzimmer erobern. Doch es gab einen ernsthaften Konkurrenten, der heute zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist: die Play Big Figuren der Firma Lyra.

## Die Geburt einer Alternative

Bereits 1972, zwei Jahre vor Playmobil, brachte die deutsche Firma Lyra aus Nürnberg ihre Play Big Figuren auf den Markt. Diese etwa 7,5 Zentimeter großen Spielfiguren waren eine direkte Antwort auf den wachsenden Markt für Kinderspielzeug und sollten eine Alternative zu den damals dominierenden Barbie-Puppen und anderen Spielzeugen bieten.

Die Play Big Figuren unterschieden sich bereits optisch deutlich von ihren späteren Konkurrenten. Während Playmobil auf eine stark stilisierte, fast abstrakte Darstellung setzte, waren die Play Big Figuren realistischer gestaltet. Sie hatten detailliertere Gesichter, individuellere Züge und eine weniger uniformierte Erscheinung. Die Figuren wirkten menschlicher und weniger "puppenhaft" als ihre Konkurrenz.

## Innovation und Vielfalt

Was die Play Big Figuren besonders auszeichnete, war ihre bemerkenswerte Vielfalt und Detailgenauigkeit. Lyra produzierte nicht nur Standard-Spielfiguren, sondern entwickelte komplexe Themenwelten mit außergewöhnlicher Liebe zum Detail. Die Ritter-Serie beispielsweise bot nicht nur einfache Ritterfiguren, sondern ganze Burganlagen mit funktionsfähigen Zugbrücken, Geheimgängen und beweglichen Elementen.

Die Western-Serie war besonders beeindruckend: Neben Cowboys und Indianern gab es detailgetreue Saloons, Gefängnisse und sogar eine funktionierende Eisenbahn. Die Figuren selbst waren mit austauschbaren Accessoires ausgestattet und konnten in verschiedenen Posen positioniert werden - eine Innovation, die Playmobil erst später übernahm.

## Der Kampf der Giganten

Der Konkurrenzkampf zwischen Play Big und Playmobil war in den 1970er Jahren intensiv. Beide Unternehmen warben aggressiv um die Gunst der Kinder und Eltern. Playmobil setzte dabei auf ein einheitliches Design und eine klare Markenidentität. Die Figuren waren unverwechselbar und entwickelten schnell einen hohen Wiedererkennungswert.

Play Big hingegen punktete mit Realismus und Detailreichtum. Die Figuren waren individueller, die Spielwelten komplexer und oft technisch ausgefeilter. Während Playmobil-Figuren eher für jüngere Kinder konzipiert waren, sprachen Play Big Figuren auch ältere Kinder an, die sich für realistischeres Spielzeug interessierten.

## Warum Play Big verloren hat

Trotz ihrer Qualitäten konnten sich die Play Big Figuren langfristig nicht gegen Playmobil durchsetzen. Dafür gab es mehrere Gründe:

**Marketing und Markenbildung**: Playmobil investierte deutlich mehr in Marketing und Markenbildung. Die einheitliche Optik und die klare Markenidentität prägten sich besser ein als die vielfältigen, aber weniger kohärenten Play Big Welten.

**Produktionsstrategie**: Während Playmobil auf Masse und Standardisierung setzte, blieb Play Big bei aufwendigeren, teureren Produktionen. Dies führte zu höheren Preisen und geringerer Verfügbarkeit.

**Distributionsnetzwerk**: Playmobil baute früh ein internationales Vertriebsnetzwerk auf, während Play Big hauptsächlich auf dem deutschen Markt aktiv war.

**Designphilosophie**: Die stilisierte Optik von Playmobil erwies sich als zeitloser und universeller ansprechend als der Realismus von Play Big.

## Das Ende einer Ära

Ende der 1970er Jahre verschwanden die Play Big Figuren allmählich vom Markt. Lyra konzentrierte sich auf andere Geschäftsbereiche, und die aufwendigen Spielwelten konnten nicht mehr rentabel produziert werden. Die letzten Play Big Figuren wurden Anfang der 1980er Jahre verkauft.

## Zu Unrecht vergessen

Heute sind Play Big Figuren begehrte Sammlerobjekte, die bei Auktionen hohe Preise erzielen. Doch sie verdienen mehr als nur den Status eines nostalgischen Sammlerstücks. Die Play Big Figuren waren ihrer Zeit oft voraus und boten Innovationen, die erst Jahre später von anderen Herstellern übernommen wurden.

Die Detailgenauigkeit, die technischen Raffinessen und die Vielfalt der Spielwelten waren bemerkenswert. Viele der damaligen Kinder erinnern sich noch heute an die komplexen Geschichten, die sie mit ihren Play Big Figuren entwickelten, und an die Faszination, die von den realistischen Spielwelten ausging.

## Ein Vermächtnis der Kreativität

Die Play Big Figuren repräsentieren eine Zeit, in der Spielzeughersteller bereit waren, Risiken einzugehen und innovative Konzepte zu entwickeln. Sie zeigten, dass Kinderspielzeug mehr sein kann als nur einfache Unterhaltung - es kann Geschichten erzählen, Fantasie anregen und komplexe Spielwelten schaffen.

Auch wenn Playmobil den Markt dominierte und bis heute erfolgreich ist, sollten wir die Play Big Figuren nicht vergessen. Sie waren ein wichtiger Teil der Spielzeuggeschichte und haben gezeigt, dass es auch andere Wege gibt, Kinderherzen zu erobern. In einer Zeit, in der Nostalgie und Retro-Spielzeug wieder im Trend liegen, wäre es vielleicht an der Zeit, diese vergessenen Helden der 1970er Jahre wieder zu entdecken.

Die Play Big Figuren mögen den Kampf um die Vorherrschaft in den Kinderzimmern verloren haben, aber ihr Geist der Innovation und Kreativität lebt in jedem Sammler weiter, der sich an die Zeit erinnert, als Spielzeug noch echte Abenteuer versprach.

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