Sven sagt: Brothers in Arms – 40 Jahre Dire Straits' Meisterwerk
Als dieses Album im Mai 1985 herauskam, war es nicht nur musikalisch ein Statement, sondern auch technologisch. Es war eines der ersten Alben, die vollständig digital aufgenommen wurden, und das erste Album im CD-Format, das sich über eine Million Mal verkaufte. Die Produktion von Mark Knopfler und Neil Dorfsman setzte neue Maßstäbe für Klangqualität, die auch heute noch beeindruckt.
Die Aufnahmen entstanden in den legendären AIR Studios auf Montserrat, jener karibischen Insel, die später durch den Ausbruch des Soufrière Hills verwüstet wurde. George Martin, der berühmte Beatles-Produzent, hatte dieses Studio in den 1970er Jahren dort aufgebaut, und es wurde zu einem magischen Ort für Musiker. Die Abgeschiedenheit, die tropische Atmosphäre, die Ruhe – all das floss in die Musik ein. Tragischerweise wurde das Studio 1989 durch Hurrikan Hugo schwer beschädigt und dann 1997 durch die Vulkanausbrüche endgültig zerstört. Ein Teil der Musikgeschichte ging damit verloren, aber die Alben, die dort entstanden, bleiben für immer.
Beginnen wir gleich mit dem Opener, der auch mein persönlicher Favorit ist: "So Far Away". Dieser Song ist pure Sehnsucht in Musikform. Mark Knopflers charakteristisches Fingerpicking auf der Stratocaster, diese warmen, melancholischen Töne, und dazu dieser Text über Distanz, Heimweh und die Einsamkeit des Unterwegssein. Es ist ein Song, der von Anfang an eine Stimmung kreiert – nachdenklich, ein bisschen wehmütig, aber auch wunderschön. Die Art, wie Knopfler hier seine Gitarre sprechen lässt, ist einfach meisterhaft. Jeder Ton sitzt, nichts ist zu viel, alles atmet.
Dann kommen wir natürlich nicht um den Überhit herum: "Money for Nothing". Die Geschichte hinter diesem Song ist fast so legendär wie der Song selbst. Mark Knopfler war in einem Haushaltswarengeschäft in New York, wo auf mehreren Fernsehern MTV lief. Dort hörte er, wie ein Arbeiter, der gerade Kühlschränke und Mikrowellen auslieferte, über die Rockstars auf den Bildschirmen herzog – dass die ja nur ihre Gitarren spielen müssten und dafür Millionen bekämen. Knopfler fand diese Perspektive so faszinierend, dass er sie direkt in einen Song verwandelte, komplett mit der rauen Sprache und den Vorurteilen dieser Figur.
Und dann kam Sting ins Spiel. Sting war zufällig im Nebenstudio auf Montserrat und hörte, wie die Band an "Money for Nothing" arbeitete. Das Riff erinnerte ihn an "Don't Stand So Close to Me" von The Police, und er improvisierte daraufhin die Zeile "I want my MTV" – eine brillante Referenz an den damals noch jungen Musiksender, der die Branche revolutionierte. Diese Zeile wurde zum Markenzeichen des Songs und MTV nutzte sie jahrelang als Werbe-Slogan. Es war einer dieser magischen Studio-Momente, die man nicht planen kann.
Was Mark Knopfler später dazu gesagt hat, ist durchaus bemerkenswert: Er hat angemerkt, dass man einen solchen Song in der heutigen Zeit mit ihrer Empörungskultur wahrscheinlich nicht mehr so schreiben könnte. Der Text verwendet bewusst eine raue, ungeschliffene Sprache, um die Perspektive dieser Figur authentisch darzustellen – aber genau diese literarische Technik würde heute wahrscheinlich missverstanden werden. Es ist ein interessanter Kommentar darüber, wie sich der Diskurs über Kunst verändert hat.
Aber kommen wir zum Titeltrack "Brothers in Arms" – und hier wird es richtig emotional und politisch. Dieser Song ist Mark Knopflers Reflexion über den Falklandkrieg von 1982. Der Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien um die Falklandinseln hatte auf beiden Seiten junge Soldaten das Leben gekostet – Brüder in Waffen im wahrsten Sinne des Wortes, die aufeinander schossen, obwohl sie sich in einer anderen Welt vielleicht die Hand gereicht hätten. Knopfler schrieb einen der bewegendsten Anti-Kriegs-Songs der 80er Jahre, ohne dabei plakativ oder anklagend zu werden. Die Zeile "We're fools to make war on our brothers in arms" fasst die Sinnlosigkeit jedes Krieges zusammen. Das Gitarrensolo am Ende, gespielt mit einem Bottleneck, ist einfach herzzerreißend – es weint förmlich. Dieser Song wurde später auch zur Hymne für Veteranen und wird bis heute bei Gedenkveranstaltungen gespielt.
Das Album als Ganzes ist eine Reise durch verschiedene Stimmungen. Von der epischen Titeltrack-Ballade über das rhythmische "Walk of Life" bis zum jazzigen "Your Latest Trick" zeigt das Album die unglaubliche Bandbreite von Dire Straits. Mark Knopflers Gitarrenspiel ist durchweg außergewöhnlich, seine Kompositionen intelligent und emotional tiefgehend.
Was "Brothers in Arms" auch 40 Jahre später noch so relevant macht, ist diese Zeitlosigkeit. Die Songs klingen nicht datiert, sondern klassisch. Die Themen – Sehnsucht, Kriege, Liebe, soziale Beobachtungen – sind universell. Und die musikalische Handwerkskunst ist einfach auf einem Niveau, das heute selten erreicht wird.
Für mich bleibt "So Far Away" das Herzstück des Albums. Dieser Song fasst alles zusammen, was Dire Straits ausmachte: Gefühl, Können und diese ganz besondere Melancholie, die einen noch Tage später nicht loslässt.
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