Die Geburt einer Nation: Gründung und Wachstum der Eidgenossenschaft (1291-1515)
## Teil 2 unserer Serie zur Schweizer Geschichte
*Nach unserer Reise durch die Frühgeschichte widmen wir uns nun der spannenden Entstehungsgeschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft - einer Zeit des Aufbruchs, der Bündnisse und der ersten Schritte in Richtung Unabhängigkeit.*
### Der Bundesbrief von 1291
Am Anfang der Eidgenossenschaft steht der berühmte Bundesbrief von 1291. In diesem historischen Dokument schworen sich die drei "Waldstätte" Uri, Schwyz und Unterwalden gegenseitige Hilfe zu. Die wichtigsten Punkte des Bundes waren:
- Gegenseitige militärische Unterstützung
- Ablehnung fremder Richter
- Friedliche Schlichtung interner Konflikte
- Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung
Der Brief, heute im Bundesbriefmuseum in Schwyz aufbewahrt, gilt als Gründungsdokument der Schweiz, auch wenn er ursprünglich eher als regionales Bündnis gedacht war.
### Der Rütlischwur und die Wilhelm Tell-Sage
Die Gründungsgeschichte der Schweiz ist eng mit dem legendären Rütlischwur und der Wilhelm Tell-Sage verbunden. Auch wenn diese Geschichten historisch nicht belegt sind, spiegeln sie wichtige Werte wider:
- Das Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung
- Den Widerstand gegen Unterdrückung
- Die Bedeutung von Einigkeit und Zusammenhalt
- Den Mut zum Aufstand gegen ungerechte Herrschaft
Friedrich Schillers Drama "Wilhelm Tell" (1804) trug später maßgeblich zur Popularisierung dieser Geschichten bei.
### Die Schlacht am Morgarten 1315
Der erste große militärische Erfolg der jungen Eidgenossenschaft war die Schlacht am Morgarten:
- Die Habsburger versuchten, ihre Herrschaft über die Waldstätte durchzusetzen
- Am 15. November 1315 besiegten die Eidgenossen das habsburgische Ritterheer
- Die innovative Kampftaktik der Eidgenossen erwies sich als überlegen
- Der Sieg stärkte den Zusammenhalt der Bündnispartner
Nach diesem Erfolg erneuerten die drei Waldstätte ihr Bündnis im Morgartenbrief, der den Bundesbrief von 1291 bekräftigte und erweiterte.
### Das Wachstum der Eidgenossenschaft
In den folgenden Jahrzehnten schlossen sich weitere Orte dem Bund an:
1. Luzern (1332): Erste Stadt im Bund
2. Zürich (1351): Wichtiges wirtschaftliches Zentrum
3. Glarus und Zug (1352)
4. Bern (1353): Bedeutende militärische Macht
Diese "Acht Alten Orte" bildeten den Kern der Eidgenossenschaft. Jeder neue Partner brachte seine eigenen Stärken ein:
- Wirtschaftliche Ressourcen
- Strategische Positionen
- Militärische Macht
- Handelswege und Verbindungen
### Die Schlacht bei Sempach 1386
Ein weiterer Meilenstein war die Schlacht bei Sempach:
- Herzog Leopold III. von Habsburg führte ein Ritterheer gegen die Eidgenossen
- Die legendäre Heldentat des Arnold Winkelried
- Entscheidender Sieg der Eidgenossen
- Festigung der Unabhängigkeit von den Habsburgern
### Die Burgunderkriege (1474-1477)
Die Burgunderkriege markierten den Höhepunkt der militärischen Macht der Eidgenossenschaft:
- Siege gegen Karl den Kühnen von Burgund
- Schlachten bei Grandson und Murten (1476)
- Schlacht bei Nancy (1477)
- Etablierung des Rufs der Schweizer als hervorragende Kriegsleute
Diese Erfolge führten dazu, dass Schweizer Söldner in ganz Europa gefragt waren.
### Innere Entwicklung
Die wachsende Eidgenossenschaft entwickelte besondere politische Strukturen:
- Tagsatzung als gemeinsames Beratungsorgan
- System der Bündnisse und Verträge
- Entwicklung eigener Rechtstraditionen
- Wachsende wirtschaftliche Verflechtung
### Kulturelle und wirtschaftliche Blüte
Diese Zeit war auch von kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung geprägt:
- Aufblühen der Städte
- Entwicklung des Handwerks
- Ausbau der Handelswege
- Entstehung einer eigenen Identität
### Die Mailänderkriege und ihre Folgen
Die Serie der militärischen Erfolge endete 1515 mit der Niederlage bei Marignano:
- Verlust der Expansionsbestrebungen in Norditalien
- Beginn der schweizerischen Neutralitätspolitik
- Neuorientierung der außenpolitischen Strategie
### Ausblick
Diese Periode legte den Grundstein für die spätere Entwicklung der Schweiz. Die geschaffenen Strukturen und Werte wirken bis heute nach:
- Föderalismus
- Direkte Demokratie
- Neutralität
- Wehrhafte Unabhängigkeit
*Im nächsten Teil unserer Serie werden wir uns der Reformationszeit und ihren tiefgreifenden Auswirkungen auf die Eidgenossenschaft widmen.*
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*Dies ist der zweite Teil unserer 5-teiligen Serie über die Geschichte der Schweiz. Bleiben Sie gespannt auf die weiteren Kapitel dieser faszinierenden Geschichte.*
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