Der große Fehler: Das Sterben der Nebenbahnen in Deutschland


Wenn wir heute über nachhaltige Mobilität und die Verkehrswende sprechen, wird uns schmerzlich bewusst, welch fatale Fehlentscheidungen in der deutschen Verkehrspolitik zwischen den 1960er und 2000er Jahren getroffen wurden. Der systematische Rückbau des Schienennetzes, insbesondere der Nebenbahnen, erweist sich heute als einer der größten verkehrspolitischen Irrtümer der Nachkriegszeit.

## Die Systematik der Stilllegungen

Der Rückzug der Bahn aus der Fläche folgte dabei einem fast schon vorhersehbaren Muster: Zunächst wurde der Personenverkehr ausgedünnt, dann ganz eingestellt. Der verbliebene Güterverkehr folgte meist wenige Jahre später. Lokale Politiker, oft in dem irrigen Glauben, "modern" und "zukunftsorientiert" zu handeln, unterstützten diese Entwicklung aktiv. Ihre Motivation? Häufig die Förderung lokaler Busunternehmer oder die vermeintlich attraktive Option, auf den stillgelegten Trassen Radwege anzulegen.

## Die Bibertbahn: Ein Mahnmal verfehlter Verkehrspolitik

Das wohl prägnanteste Beispiel dieser Fehlentwicklung ist die Bibertbahn von Nürnberg-Stein nach Unternbibert. Diese Strecke erschloss den prosperienden Nürnberger Speckgürtel und hätte heute, im Zeichen von Pendlerströmen und Klimakrise, eine ideale Regionalbahnverbindung dargestellt. Stattdessen wurde sie 1986 stillgelegt und größtenteils zurückgebaut. Die heutigen Verkehrsprobleme in der Region sind eine direkte Folge dieser kurzsichtigen Entscheidung.

## Die Sinntalbahn: Ein weiteres Opfer kurzsichtiger Planungen

Ähnlich tragisch gestaltete sich das Schicksal der Sinntalbahn zwischen Jossa und Wildflecken. Diese Strecke, die durch das landschaftlich reizvolle Sinntal führte, hätte sowohl touristisches als auch pendlerverkehrliches Potenzial gehabt. Ihre Stilllegung ist beispielhaft für den Verlust wichtiger regionaler Infrastruktur, die heute schmerzlich vermisst wird.

## Die versäumten Chancen der Trassensicherung

Besonders fatal war die Unterlassung, wenigstens die Trassenkorridore zu sichern. Selbst wo der Betrieb temporär unwirtschaftlich erschien, hätte eine weitsichtige Politik die Option auf eine spätere Reaktivierung offenhalten müssen. Die technische Entwicklung moderner Schienenfahrzeuge hat die Betriebskosten deutlich gesenkt und ermöglicht heute weitaus effizientere Verkehrskonzepte als in den 1960er Jahren:

- Moderne Triebwagen sind wesentlich wartungsärmer
- Der Personalaufwand wurde durch neue Technologien reduziert
- Digitale Steuerungssysteme ermöglichen flexiblere Betriebskonzepte

## Die Folgen heute

Die Konsequenzen dieser Politik sind heute allgegenwärtig:
- Überlastete Straßen in den Pendlerregionen
- Abgehängte ländliche Räume ohne attraktive ÖPNV-Anbindung
- Hohe Kosten für eventuelle Reaktivierungen
- Verlorene Entwicklungschancen für ganze Regionen

## Lehren für die Zukunft

Die Geschichte des Nebenbahnen-Sterbens muss uns Lehre sein für aktuelle verkehrspolitische Entscheidungen. Infrastruktur, einmal aufgegeben, lässt sich nur unter enormem Aufwand wiederherstellen. Eine zukunftsfähige Verkehrspolitik muss daher:
- Bestehende Bahnstrecken konsequent erhalten
- Stillgelegte Trassen wo möglich sichern
- Reaktivierungspotenziale systematisch prüfen
- Moderne Betriebskonzepte entwickeln

Die verfehlte Verkehrspolitik der Vergangenheit darf sich nicht wiederholen. In Zeiten von Klimawandel und steigendem Mobilitätsbedarf brauchen wir jede Schienenverbindung - auch und gerade im ländlichen Raum.

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