Das große Erdbeben von Lisabon 1755: Eine Naturkatastrophe, die Europa erschütterte



Am Morgen des 1. November 1755, dem katholischen Feiertag Allerheiligen, erschütterte eines der verheerendsten Erdbeben der europäischen Geschichte die portugiesische Hauptstadt Lisabon. Was folgte, war eine Katastrophe von beispiellosem Ausmaß, die nicht nur die Stadt zerstörte, sondern auch das Denken der europäischen Aufklärung fundamental erschütterte.

## Der fatale Morgen

Es war etwa 9:30 Uhr, als die Erde zu beben begann. Die meisten Einwohner Lissabons befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Kirchen, um den Allerheiligengottesdienst zu feiern. Das Beben, dessen Stärke heute auf etwa 8,5 bis 9,0 auf der Richterskala geschätzt wird, dauerte ungewöhnlich lange – etwa sechs Minuten. Doch dies war erst der Anfang.

## Die dreifache Katastrophe

Was das Erdbeben von Lissabon besonders verheerend machte, war die Verkettung dreier Naturkatastrophen:

1. Das initiale Erdbeben ließ Gebäude einstürzen und verursachte massive strukturelle Schäden.
2. Etwa 40 Minuten nach dem Beben traf ein gewaltiger Tsunami die Stadt. Drei Wellen, bis zu sechs Meter hoch, drangen in die Stadt ein.
3. Schließlich brachen überall Feuer aus, die durch umgestürzte Kerzen in den Kirchen und zerstörte Kochstellen verursacht wurden. Diese Brände wüteten fünf Tage lang.

## Die Folgen

Die Zerstörung war immens. Schätzungen zufolge kamen zwischen 30.000 und 60.000 Menschen ums Leben. Etwa 85% der Gebäude Lissabons wurden zerstört, darunter prachtvolle Paläste, Bibliotheken und Kirchen. Der königliche Palast und unschätzbare Kunstschätze gingen verloren. Die wirtschaftlichen Schäden waren enorm, da Lissabon zu dieser Zeit einer der wichtigsten Handelshäfen Europas war.

## Die philosophischen Erschütterungen

Das Erdbeben erschütterte nicht nur die Erde, sondern auch das Weltbild der europäischen Aufklärung. Philosophen wie Voltaire, Kant und Rousseau diskutierten intensiv über die Bedeutung dieser Katastrophe. Voltaire verarbeitete das Ereignis in seinem Roman "Candide" und stellte die damals vorherrschende optimistische Weltsicht in Frage, nach der wir in der "besten aller möglichen Welten" leben würden.

## Der Wiederaufbau

Unter der Führung des Marquês de Pombal wurde Lissabon systematisch wieder aufgebaut. Der Wiederaufbau gilt als eines der ersten Beispiele moderner Stadtplanung. Die neue Stadt wurde mit breiten Straßen, einem Raster-System und erdbebensicheren Gebäuden geplant. Die sogenannte "Pombaline" Architektur war ihrer Zeit weit voraus und beeindruckt noch heute durch ihre innovative Bauweise.

## Fazit

Das Erdbeben von Lissabon 1755 markiert einen Wendepunkt in der europäischen Geschichte. Es führte zu wichtigen Entwicklungen in der Stadtplanung, der Katastrophenhilfe und der Erdbebenforschung. Gleichzeitig regte es fundamentale philosophische Diskussionen an, die das aufklärerische Denken nachhaltig prägten. Die Katastrophe erinnert uns auch heute noch daran, wie verletzlich menschliche Zivilisationen gegenüber Naturgewalten sind und wie wichtig vorausschauende Planung und Prävention sind.

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